Die Traummaschine

Revox A700 -
Studiotechnik für das Wohnzimmerregal

Drehen wir für einen kurzen Moment die Zeit zurück in das Jahr 1979: ein sechzehnjähriger Junge steht in einem Düsseldorfer HiFi-Geschäft und starrt bewunderungsvoll eine Tonbandmaschine an. Seine Schulklasse macht heute einen Tagesausflug, und in der frei verfügbaren Zeit möchte er seinen Traum wenigstens einmal ansehen, denn in den Geschäften seiner Heimatstadt ist ein so hochwertiges Gerät nicht ausgestellt. Revox A700 lautet die Bezeichnung, und die lässt sein Herz höher schlagen.

Stabile Ausführung: Kopfträger der A700

Mini-Studio zu Hause: Vier-Kanal Mischpult

Für einen Augenblick vergisst er die Welt um sich herum, stellt sich vor, wie es wäre, so etwas zu besitzen, aber die Zahl auf dem Preisschild holt ihn jäh in die Wirklichkeit zurück: 4.000 DM steht dort in kleinen, aber deutlichen Zahlen zu lesen. Dafür könnte man schon ein gutes, gebrauchtes Auto kaufen, hat sein Vater kürzlich noch gesagt. Nein, eine A700 wird wohl immer unerreichbar bleiben für ihn, aber träumen darf man ja schließlich ...

Springen wir zurück in die Gegenwart, der Junge ist natürlich mittlerweile erwachsen geworden, aber seine Vorliebe für eine solche Bandmaschine hat er immer noch, und der einstige Traum ist nun auf Unwegen Wirklichkeit geworden: ein wunderschönes Exemplar einer A700 liegt vor ihm, in Halbspurausführung natürlich und aus Gründen der Kompatibilität zu seinen anderen Geräten mit CCIR-Entzerrung. Vom Revoxpabst, V. Di Benedetto Revox... in Perfektion, in Regensdorf bei Zürich einer gründlichen Revision unterzogen, funktioniert die A700 tadellos und besticht auch im Digitalzeitalter noch mit beispielhafter und bekannter Präzision und einem ganz eigenen, für die späten Siebziger üblichen technischen Charme. Was fasziniert bis heute die Liebhaber von Bandmaschinen an einer A700? Versuchen wir eine Antwort auf diese Frage zu finden, indem wir erneut das Rad der Zeit zurückdrehen und dabei sowohl die highfidele Welt als auch ihr tontechnisches Umfeld ein wenig näher betrachten.

Die Schallplatte ist der bestimmende Tonträger der Epoche, und zu ihrer Herstellung ist die Studiobandmaschine das Rückgrat des Aufnahmeprozesses. Aber eine solche Profimaschine - seinerzeit meist Studer A80 oder Telefunken M15 - schlägt mit beim Kauf mit rund 20.000 Mark aufwärts ins Kontor, undenkbar für den privaten Anwender. Deshalb gibt es seit ungefähr Mitte der Fünfziger eine kaum noch überschaubare Anzahl von Heimtonbandgeräten sowie seit den Sechzigern bereits eine starke Verbreitung der Geräte für Compact-Cassetten. Mitschneiden vom Radioprogramm ist in, denn besonders LPs sind teuer, und der Rundfunk produziert und sendet noch in recht guter Qualität. Manch einer möchte auch selbst hochwertige Aufzeichnungen von Musik machen oder produziert in der Freizeit Hörspiele. Was liegt also näher als die Anschaffung einer guten, semiprofessionellen Bandmaschine? Neben anderen Herstellern hat Revox sich zunächst mit der 36er Baureihe, dann weltumspannend mit der A77 einen geradezu legendären Ruf erworben. In einschlägigen Kreisen werden diese Geräte besonders geschätzt, ja sogar bei einigen professionellen Anwendern als preisgünstige Zuspielmaschinen oder Reservegeräte eingesetzt. Wie jedoch könnte man die A77 noch übertreffen, denkt man bei Revox, und Willi Studer erlaubt seinen Ingenieuren, frei nach ihren Vorstellungen ein Top-Gerät zu entwickeln, welches funktional nach oben die Brücke zu den Profimaschinen schlägt und alles bisher im Markt Erhältliche weit in den Schatten stellt: die A700.

Drei starke Motore sowie drei Tonköpfe waren selbstverständlich, aber auch neue Technologie durfte angewendet werden. Eine echte W-Bandführung mit silikonbedämpften Bandzugwaagen half ein Laufwerk der Superklasse mit außergewöhnlich guten Wickeleigenschaften zu verwirklichen. Eine kleine Sechs-Zentimeter-Spule auf der linken und ein Teller mit Bobby für Offenwickel auf der rechten Seite, Studioband mit 52 Mikrometern Dicke oder dünnes Dreifachspielband ohne Rückseitenbeschichtung? Kein Problem, so etwas kann eine A700 ohne Schlaufenbildung ebenso locker verkraften wie häufiges, direktes Umschalten vom Wickel- in den Play-Modus. Die hochintegrierte, eigens dafür entwickelte IC-Steuerung mit beleuchteten Tasten ließ keinerlei Fehlbedienung mehr zu. Ein eingebautes Vier-Kanal-Mischpult, drei Bandgeschwindigkeiten, umfangreiche Trickschaltungen und echte Hinterbandkontrolle sowie Fernsteuerungsmöglichkeit und per Zusatzmodul stufenlos veränderbare Geschwindigkeit ließen in der Ausstattung keine Wünsche mehr offen.

Selbstverständlich überzeugten auch die technische Daten in der für den Hersteller bekannten Weise. Ein Frequenzgang bei 19 cm/s von 30 Hz bis 20 kHz und +2/-3 dB mit min. 66 dB Geräuschspannungsabstand (über Band gemessen) und Tonhöhenschwankungen von maximal 0,05 % aufgrund des quarzsynchronisierten Tonwellenmotors sprachen für sich. Kenner wissen, dass der Hersteller bei der Angabe seiner technischen Daten immer untertrieben hatte und für die Serienfertigung nur absolut sicher einzuhaltende Mindestwerte in der Dokumentation freigab. In der Realität wurden diese Daten von den Geräten meist weit übertroffen. So erzeugte die A700 bei ihrem Erscheinen auch ein Raunen in der Fachwelt und weckte große Begehrlichkeiten bei den Tonbandfreaks. Von 1973 bis 1980 wurden rund 22.000 Geräte gebaut und verkauft. Diese erhielten über den Produktionszeitraum zahlreiche Verbesserungen, von denen viele für die Kunden unbemerkt in die Serie einflossen. So ergab sich bei einigen anfänglich produzierten Maschinen das Problem des Auslaufens der Silikontöpfe in den Bandzugwaagen. Man kann sich vorstellen, was dieses freigewordene Silikon im Inneren des Gerätes angerichtet hat.

Allerdings wurden Kundenprobleme und Reklamationen bei Revox immer sehr kulant behandelt, was manchmal sogar bis zum kostenlosen Austausch der Maschine führen konnte. Dazu sei eine kleine Anekdote erzählt: Ein stolzer A700-Besitzer brachte sein Gerät nach Löffingen zum Service. "Er könne darauf warten", sagte man ihm, "und eine kleine Werkführung würde die Zeit verkürzen". Dankbar nahm er an, erhielt später sein Gerät zurück, stolperte aber beim Verlassen des Gebäudes auf der Treppe. Die Maschine fiel ihm aus der Hand, kegelte laut polternd bis ganz unten und blieb dort in schrottreifem Zustand liegen. Man bemerkte sein Unglück, bat ihn nochmals hinein, um sich das zerstörte Gerät näher anzusehen können. Nach einer Tasse Kaffee und einigen tröstenden Worten überreichte man ihm ein nagelneues Gerät, begleitete ihn aus dem Gebäude und verabschiedete ihn mit den Worten: "Er solle sich jetzt einfach über den guten Service bei Revox freuen und die Sache nicht weitererzählen!".

Nachdem die anfänglichen Kinderkrankheiten der neuen Technologie überwunden waren, schuf sich die A700 immer mehr Freunde: Ein in Fachkreisen bekannter Herr Winfried Dunkel verließ sich beispielsweise seinerzeit bei der Einrichtung seines ersten, kleinen Tonstudios zunächst mal auf die A700, bis diese durch eine "große" Studiomaschine ergänzt wurde. Die Rockgruppe Grobschnitt zeichnete viele ihrer Live-Konzerte mit einer A700 auf. Der ehemalige Schlagzeuger dieser Band, Eroc mit Künstlernamen, betreibt noch heute in seinem professionellen Tonstudio - neben anderen Studer-Maschinen - eine A700. Er hat sich mittlerweile besonders im Bereich des Re-Mastering einen Namen gemacht und gibt unter anderem aktuelle CDs heraus, die auch auf den eigenen, frühen A700-Aufzeichnungen basieren. Viele Liebhaber zählen bis heute ein funktionstüchtiges, meist sehr gepflegtes Exemplar zu ihrem Besitz, und über die Lebenszeit gerechnet liegen die Kosten für Reparaturen und Verschleißteile auch bei regelmäßigem Gebrauch recht niedrig, wenn man zum Beispiel den Vergleich wählt mit einem marktüblichen DAT-Recorder der Neunziger, der als besser und moderner angepriesen wurde, dann aber deutlich schneller vom Markt wieder verschwand. So erfreut sich auch der Autor immer wieder neu an seiner A700, betreibt sie wie auf den Fotos zu sehen mal mit Offenwickeln oder mit den standesgemäßen Revox-Spulen aus Aluminium, natürlich mit den großen NAB-Adaptern, die der Bandmaschinenfreund gern als Kelche bezeichnet. Letztere bekam er mal von seiner Frau als Weihnachtspräsent geschenkt, worüber er sich doppelt gefreut hat, weil es auch zeigt, wie die Gattin sein verrücktes Hobby unterstützt.

Mögen noch zahlreiche Bandmaschinenfreunde unter den Mitgliedern der AAA diesen kleinen Exkurs als Anregung betrachten, in der analog aktuell ebenfalls über ihre Lieblingsmaschine zu berichten. Dabei dürfen die damit verbundenen Emotionen selbstverständlich einfließen. Denn wir müssen bedenken, wenn niemand mehr die analogen Bandmaschinen pflegt und wartet, können außer Re-Issues in Zukunft auch keine neuen Schallplatten mehr auf analoge Weise produziert werden.

An alle Analogfes der zugehörige Gruß "Band ab - Band läuft"

 

Copyright Analogue Audio Association 2007
Text: Reimund Gidde
Fotos/Abb.: Raimund Gidde, Klaus von der Gathen

Mit freundlicher Genehmigung für
ReelToReel.de, TheRevoxMan.ch und
Revox... in Perfektion V. Di Benedetto 01-2007


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